Wir-Gefühl oder Spaltung? Was der Euro für Europa bedeutet

Gut 340 Millionen Menschen in 19 Staaten der Europäischen Union haben eines gemeinsam: den Euro. Doch 20 Jahre nach ihrer Einführung ist die Gemeinschaftswährung nicht unumstritten. Manche sehen in ihr eher einen Spaltpilz als eine gemeinschaftsstiftende Einrichtung. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was ist die Idee des Euro?

"Idee des Euro war und ist es, den europäischen Binnenmarkt zu fördern und für Wirtschaftswachstum und Wohlstand zu sorgen" - so brachte es Sabine Lautenschläger, Mitglied des Führungsgremiums der Europäischen Zentralbank (EZB) im Mai 2016 auf den Punkt. "Aber schon der Name macht es deutlich: der Euro sollte mehr sein. Der Euro sollte eine einheitliche Währung für ein vereintes Europa werden. Er sollte die kulturelle und politische Einheit Europas vertiefen, Grenzen abbauen und das "Wir-Gefühl" stärken."

Wo liegen die Vorteile einer gemeinsamen Währung?

Kosten für Währungsumtausch fallen weg. Unternehmer aus einzelnen Mitgliedstaaten müssen sich bei Geschäften im Euroraum nicht gegen Währungsschwankungen absichern. Für Reisende entfällt für viele Ziele der teure Umtausch in Fremdwährungen. Laut Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, haben zudem wirtschaftlich schwächere Länder von der Solidität der starken Europartner profitiert. Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise betont, dass der Euro Vorteile für alle Mitgliedsländer hatte. So habe es intensivere Handels- und Kapitalströme, höhere Preistransparenz, mehr Wettbewerb, geringere Transaktionskosten und eine Integration der Finanzmärkte gegeben.

Gibt es auch Nachteile?

Wirtschaftlich schwächere Länder können ihre Exporte nicht dadurch ankurbeln, dass sie ihre Landeswährung abwerten und Ausfuhren damit billiger machen. Das Centrum für Europäische Politik (cep) zieht daher auch ein negatives Fazit. Wirklich profitiert habe vom Euro eigentlich nur Deutschland - und in erheblich geringerem Maße die Niederlande. In vielen anderen Eurostaaten habe die Gemeinschaftswährung dagegen zu Wohlstandseinbußen geführt, heißt es in einer aktuellen cep-Studie.

Wie hat sich die Wirtschaft der Euro-Länder entwickelt?

Länder, die vor der Euro-Einführung schon wirtschaftlich stark gewesen seien, hätten sich danach weiterhin sehr gut entwickelt, meint Dekabank-Chefökonom Kater. Dazu gehörten Deutschland, die Niederlande oder Österreich. Aber: "Für Länder wie Spanien, Griechenland oder Italien blieben die alten Probleme von Ineffizienz und hoher Verschuldung auch im Euro bestehen."

Hat der Euro die Preise nach oben getrieben?

"Befürchtungen, dass durch die Einführung des Euro die Inflation ansteigen würde, haben sich nicht bewahrheitet", konstatiert die Chefvolkswirtin der Landesbank Helaba, Gertrud Traud. In den 20 Jahren betrug die durchschnittliche jährliche Inflationsrate im Währungsraum 1,7 Prozent. "Fakt ist, dass der Euro stabil ist - stabiler noch als die D-Mark", sagt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Nicht zuletzt deshalb ist der Euro nach dem US-Dollar die zweitwichtigste Reservewährung weltweit.

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